Agilität begreifen
kurze Begriffsbestimmung
Es gibt kaum Begriffe, die in den letzten Jahren stärker in der Wirtschaftswelt kursierten wie Agilität. Alles kann, soll und muss agil sein. Vor diesem Hintergrund scheint Agilität zum Allheilmittel verklärt zu werden, um Unternehmen an die ständigen Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die hohe Dynamik der Märkte anzupassen. Um sich nicht im Agilitäts-Dschungel zu verlaufen, ist es wichtig zu begreifen, was genau Agilität beinhaltet und wie sie Agilität messen können?
Wirft man einen Blick in den Duden, so findet man unter dem Begriff „agil“ die folgende Bedeutung: „von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig“. Diese Begriffsbestimmung lässt sich gewissermaßen auch auf den wirtschaftlichen Kontext übertragen. Ein Unternehmen wird dann als agil bezeichnet, wenn es so „beweglich“ ist, dass es sich schnell an neue und veränderte Marksituationen anpassen kann. Agilität lässt sich also am besten mit Anpassungsfähigkeit übersetzen.
Häufig fällt im Zusammenhang mit Agilität auch der Begriff „Flexibilität“. Hierbei ist ein wesentlicher Unterschied zu beachten. Wenn ein Unternehmen anpassungsfähig ist, ist es auch flexibel, wenn es jedoch flexibel ist, ist es nicht gleichzeitig anpassungsfähig. Während Flexibilität als eher reaktiv zu verstehen ist, ist Anpassungsfähigkeit weitaus proaktiver. Agilität heißt auch mögliche Veränderungen zu antizipieren und Veränderungen aktiv zu gestalten.
Kurze Historie der Agilität
Unsere heutige Auffassung von Agilität wurde maßgeblich von vier Entwicklungsstufen geprägt.
- Systemtheorie
Das AGIL-Schema des US-amerikanischen Soziologen Talcott Parsons propagiert vier Fähigkeiten, welche Systeme benötigen, um ihre Existenz sicherzustellen. Sie müssen sich an veränderte Rahmenbedingungen adaptieren können, gemeinsam getragene Ziele verfolgen, Zusammenhalt herstellen und ein gemeinsames Wertesystem erschaffen. - Lean Manufacturing
Wesensmerkmale der Lean-Philosophie sind eine schnelle Produktentwicklung, radikale Fokussierung auf den Kunden, (teil-) autonom arbeitende Arbeitsgruppen und das kontinuierliche Streben nach Verbesserung. Diese Prinzipien finden sich auch im heutigen Agilitätsverständnis wieder. - Agile Softwareentwicklung
Einen wesentlichen Meilenstein für die agile Gestaltung von Prozessen in Unternehmen stellt auch die Formulierung des agilen Manifests im Jahr 2001 dar (https://agilemanifesto.org/). In diesem Manifest sind Leitlinien für agil arbeitende Teams beschrieben, mit dem Ziel, bessere Software zu entwickeln. Entscheidend ist dabei der Fokus auf die menschliche Interaktion: „Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge“. Ein prominenter Vertreter dieser Entwicklungswelle ist das Scrum Framework. - Agile Organisation
Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, Agilität nicht nur auf einen kleinen Teil ihrer Organisation, wie z. B. die Softwareentwicklung, zu beschränken, sondern Strukturen, Prozesse und die Unternehmenskultur im Ganzen in Richtung Agilität zu transformieren. Ziel ist es dabei, sich bestmöglich an die Voraussetzungen der VUKA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) anzupassen. Als Kennzeichen agiler Organisationen werden folgende Konzepte genannt, welche sich bereits in den vorhergehenden Entwicklungswellen teilweise wieder finden: Anpassungsfähigkeit, Kundenorientierung, Selbstführung und agile Haltung. Insbesondere der agilen Haltung (agiles Mindset) wird bei der Einführung agiler Prozesse ein großer Stellenwert beigemessen.
Zwei Spielarten von Agilität
Planen Unternehmen, einen Transformationsprozess in Richtung Agilität zu initiieren, so kann Agilität sowohl als Methode („doing agile“), als auch als Mindset („being agile“) verstanden werden.
Agilität als Methode („doing agile“)
- Agile Frameworks wie Scrum oder Kanban bieten vielfältige Anhaltspunkte zur Implementierung agiler Methoden und Praktiken. Aus der Vielzahl an agilen Frameworks lassen sich folgende gemeinsame Prinzipien ableiten:
- Selbstorganisation: Agile Team sind darauf ausgelegt, selbstorganisiert und selbstbestimmt zu arbeiten. Sie bewegen sich nicht mehr so stark in einem klassischen Hierarchiegefüge.
- Iteration: In agilen Teams wird nicht mehr linear und längerfristig geplant und gearbeitet, sondern in kürzeren Entwicklungszyklen. So ist es möglich, schnell und rechtzeitig auf Veränderungen reagieren zu können.
- Feedback durch den Kunden: Im Rahmen einer iterativen Entwicklung ist es auch möglich, Kundenfeedback schneller einzuholen und das Produkt so besser auf die Anforderungen des Kunden anzupassen.
- Laufende Verbesserung: Ständige Kommunikation und regelmäßige interne Feedbackprozesse ermöglichen es dem agil arbeitenden Team die Selbstreflexion anzuregen und Optimierungspotenzial zu identifizieren. Lernen und Entwicklung wird so zum Selbstverständnis.
Agile Methoden und Praktiken lassen sich einfach vermitteln und die erfolgreiche Implementierung leicht evaluieren, weshalb sich viele Unternehmen hierauf bei der Einführung agiler Prozesse konzentrieren. Jedoch sind sie lediglich eine „leere Hülle“, wenn sich nicht durch ein geteiltes agiles Mindset zum Leben erweckt werden.
Agilität als Mindset („being agile“)
Für erfolgreiches agiles Arbeiten ist das Zusammenspiel von agilen Methoden und Praktiken sowie einem geteilten agilen Mindset aller Beschäftigten einer Organisation von entscheidender Bedeutung. Ein agiles Mindset ist eine Art Grundhaltung und Einstellung von Individuen, welches unter anderem kennzeichnet ist durch Mut, Offenheit, Wertschätzung und Veränderungsbereitschaft. Es ist die Überzeugung, sich weiterentwickeln und sich leicht an veränderte Rahmenbedingungen anpassen zu können. Damit stellt das agile Mindest das Fundament dar, um erfolgreich nach agilen Methoden und Praktiken arbeiten zu können. Ein geteiltes agiles Mindset der Beschäftigten kann durch eine agile Unternehmenskultur und ein agiles Führungsverhalten flankiert werden.
Agile Werte wie Vertrauen, Transparenz und Wertschätzung sollten in der Unternehmenskultur verankert sein, damit sich ein geteiltes agiles Mindset entfalten kann. Darüber hinaus kommt auch den Führungskräften eine wichtige Rolle zu, da sie durch ihr Vorbild, die agile Haltung ihrer Beschäftigten fördern können. Eine agile Führungskraft agiert dabei weniger nach dem Prinzip der Anweisung. Vielmehr schafft sie in ihrer Rolle als Coach und „Ermöglicher“ die Rahmenbedingungen, sodass die Beschäftigten innerhalb der agilen Teams selbstbestimmt und selbstorganisiert handeln können.
Denken Sie darüber nach, agile Prozesse und Strukturen in ihrem Unternehmen zu implementieren? Wir bieten Ihnen die passenden Befragungswerkzeuge, um den agilen Reifegrad ihrer Führungskräfte als Standortbestimmung erfassen zu können.
Agilität Messen
Fragebogen zum Agilen Klima
Der Fragebogen zum Agilen Klima erfasst mehrere erfolgsrelevante strukturelle Merkmale agiler Organisationen und Einstellungen (Mindset) der Organisationsmitglieder. Das Profil gibt Aufschluss zu Stärken und Schwächen der strukturellen Merkmale der Organisation sowie den Einstellungen von den entsprechenden Organisationseinheiten (anonymisiert).
Fragebogen zur AGIL-DIGITALEN Führung
Der Fragebogen zur AGIL-DIGITALEN Führung erfasst mehrere Dimensionen erfolgsrelevanter Einstellungen, Führungsverhalten und digitaler Kompetenz. Grundlage des Fragebogens sind 12 Skalen, die Verhaltensanforderungen sowie Einstellungen abbilden, welche sich im Rahmen der Literaturrecherche als besonders erfolgreich im Zeitalter digitaler Vernetzung, Komplexität und Marktveränderungen, herauskristallisierten.