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Wie der Begriff New Work zu verstehen ist und wie Sie New Work erfolgreich einführen können? Warum Sie bei einer Einführung von New Work-Initiativen zuerst eine Zielstellung formulieren und eine fundierte Diagnose anstellen sollten? Lernen Sie die Gemeinsamkeiten von New Work und Positiver Psychologie kennen.
New work verstehen
In Kürze - New Work steht für
- ein philosophisches Konzept
- eine Bewegung
- ein Synonym für den Wandel der Arbeitswelt und dessen Folgen
- eine Norm (veränderte Erwartungen der Beschäftigten)
- Arbeitskonzepte- und Organisationsprinzipien
Auf den Ebenen
- der Beschäftigten
- von Organisationen
- dem Markt
- der Gesellschaft
New Work – Heute
Im Zuge bekannter Trends der Digitalisierung, Globalisierung, Demografie und des andauernden kulturellen Wandels (BMAS, 2017) steht der Begriff New Work selbst als Synonym für den Wandel der Arbeitswelt als auch für dessen Folgen (Hackl, 2017). So versuchen Organisationen eine Reihe von zukunftsorientierten Veränderungen bzw. entsprechende Interventionen unter dem Label „New Work“ zu implementieren. In diesem Sinn wird New Work dann vordergründig als ein Arbeitskonzept- und Organisationsprinzip sowie als konkrete Maßnahme verstanden, die unter „Stichworten wie Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, Flexibilisierung, Agilität, Wertebasierung und Sinnstiftung von Arbeit“ (Hofmann, Piele & Piele, 2019) sowie bekanntermaßen durch die Einführung von modernen Bürokonzepten (z. B. Großraum/ Multi-Space) subsumiert werden können.
Ursprünge von New Work
In den Ursprüngen geht der Begriff New Work auf den österreichisch-US-amerikanischen Sozialphilosoph Frithjof Bergmann zurück. Da er bei dem Besuch der damaligen Ostblockländer in den 1970er Jahren erkannte, dass der Sozialismus keine Zukunft mehr hat, entwickelte er ein Gegenmodell zum Kapitalismus und dessen vorherrschenden Arbeitsorganisation. Bergmann stellte fest, dass viele Menschen ihre Arbeit als milde Krankheit empfinden, die zwar aushaltbar ist, aber auch nicht angenehm. Er führte weiterhin aus, dass die Menschen durch Lohnarbeit an einer „Armut der Begierde“ leiden, welche Kreativität und Lebendigkeit vermissen lässt. Außerdem verdeutlicht er, dass es Arbeit schon vor der Einführung von Lohnarbeitssystemen gab (Bergmann, 2019).
Bergman selbst erlebte den Umbruch der Autoindustrie im US-Bundesstaat Michigan aufgrund von Automatisierungen und stellte sich die Frage, was wohl mit den arbeitslosen Beschäftigen geschehen wird. Zusammen mit seinem Lehrstuhl für Philosophie an der University of Michigan und General Motors gründete er das Zentrum für neue Arbeit und unterstützte u. a. arbeitslose FließbandarbeiterInnen um herauszufinden, welche Arbeit sie wirklich tun wollen und verhalf ihnen zu einem Arbeitszeitverkürzungsmodell statt Arbeitslosigkeit.
Die Werte von New Work
In den folgenden Jahren entwickelte er sein alternatives Modell „New Work“ zur Lohnarbeit in dem Menschen jeweils zu einem Drittel arbeiten sollen:
- Was sie wirklich wollen,
- „High-tech-self-providing“ – selbst Dinge in kleinen Gemeinschaften herstellen, die zum eigenen Leben benötigt werden und
- klassischer Erwerbsarbeit („Jobarbeit“ als notwendiges Übel) nachgehen.
Das Modell wurde in den USA in der Praxis erprobt, um den Berufstätigen die Möglichkeit einer sinnerfüllten und selbstbestimmten Tätigkeit zu eröffnen. Die zentralen Kernwerte der Theorie sind damit Sinn, Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft.
New Work einführen
Zielstellung von New Work in Organisationen
Während Frithjof Bergmann als Idee die Dreiteilung der Arbeit im Sinn hatte, wird der Begriff New Work heute eher allgemein verwendet. Für viele ist New Work Sinnbild für eine zukünftige Vorstellung einer (modernen) Organisation, welche die verschiedenartigsten Facetten (Führung, Machtverteilung, Kultur, Demokratisierung, Büros, etc.) betreffen. Zu allgemeingültig eingeführte New Work Initiativen ohne eine vorherige systematische Organisationsdiagnose und abgeleitete Zielstellung führen nicht oft zu mehr Fluktuation und Fehlzeiten als vorher – woran kann dieser Befund liegen?
Wie Schermuly (2019) zu Recht kritisiert, konzentrieren sich zu viele New-Work-Interventionen vordergründig auf die Strukturen von Organisationen statt auf den Menschen. Die Veränderung von Strukturen soll z. B. durch Ansätze wie die Einführung u. a. von Scrum, Kanban, teilautonome Arbeitsgruppen, betriebliches Vorschlagswesen oder aber auch radikalere Ansätze wie Soziokratie verändert werden. Das Scheitern dieser Maßnahmen ist vor allen Dingen dadurch begründet, dass die Strukturen unterschiedlich auf Menschen wirken bzw. dieselben organisationalen Bedingungen von Menschen unterschiedlich erlebt und interpretiert werden (Schermuly, 2019). Während Tina die neuen Freiheitsgrade durch Hierarchieabbau genießt, fehlt es Ingo an Struktur.
Wann ist New Work wirklich new work
Um eine klare Differenzierung der Ansprüche der Erwerbstätigen an Arbeit für die Gesamtheit aller ArbeitnehmerInnen vorzunehmen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Studie „Wertewelten Arbeiten 4.0“ gefördert (BMAS/Nextpractice 2016). Wie die Studie zeigt, haben wir es inzwischen mit sehr unterschiedlichen Mitarbeiterbedürfnissen zu tun. Beispielsweise wünschen einige MitarbeiterInnen eine strikte Trennung von Arbeit und Privatleben (i. S. v. Schluss nach definierter Zeitvorgabe) und andere wollen persönlich entscheiden, wann und wo sie arbeiten.
Die ursprünglich von Bergmann formulierten New Work Werte Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit und Teilhabe sind hingegen ein erkennbares Bedürfnis aller Beschäftigten in der Wertestudie und somit fundamental – sie sollten immer die Zielstellung von New Work bestimmen. Laden Sie die Studie HIER runter.
Ohne weiter vertiefend steigende Individualisierungstendenzen in unserer Gesellschaft zu diskutieren, sollte verdeutlicht werden, dass sich die Zielstellung von Projekten, Maßnahmen und Organisationsentwicklungsthemen an den ursprünglichen Werten Bergmanns orientieren muss, wenn selbige denn New Work sein wollen.
Positive Psychologie
Nachfolgend wird dargestellt, warum Bergmanns Theorie und Menschenbild auf psychologisches Wohlbefinden als Zielstellung nach dem eudämonistischen Ansatz abzielt.
In den letzten 20 Jahren hat die Positive Psychologie immer mehr an Bedeutung sowie Interesse gewonnen. Als wissenschaftliche Disziplin verfolgt die Positive Psychologie das Ziel, mit wissenschaftlichen Methoden die Bedingungen und Konsequenzen des Wohlbefindens zu untersuchen sowie Maßnahmen zu entwickeln und zu evaluieren (Seligman, 2011).
Ansätze zum Wohlbefinden
Wohlbefinden kann allgemein nach Ryan und Deci (2001) in hedonistische und eudämonistische Ansätze unterschieden werden. Psychologisches Wohlbefinden wird dann erlebt, wenn autonom gehandelt werden kann, Anforderungen aus der Umwelt gemeistert werden, man sich selbst akzeptiert, persönliches Wachstum erlebt wird, positive Beziehungen mit anderen Personen gepflegt werden und Sinn im Leben erlebt wird (Ryff & Keyes, 1995). Psychologisches oder eudämonistisches Wohlbefinden nach Rogers (1963) beschreibt einen Zustand, der unter anderem gekennzeichnet ist durch Selbstaktualisierung, Vitalität und Selbstwertgefühl sowie die Abwesenheit von Ängsten, Depressionen oder somatischen Symptomen (vgl. Ryan & Deci 2000b, S. 323, 326). Der hedonistische Ansatz definiert Wohlbefinden in Hinsicht auf Variablen wie Stimmung (positiven Affekt, niedrigen negativen Affekt), Lebenszufriedenheit und Glück.
Theorie zum Wohlbefinden
Seligmanns jüngste Theorie zum Wohlbefinden ist multidimensional (hedonistisch sowie eudämonistisch) und besteht aus den folgenden Elementen:
- Positive Emotionen: hedonistischer Aspekt, umfasst Emotionen wie Freude, Glück, Dankbarkeit und Hoffnung (Frederickson, 2001)
- Engagement: bei der Aufgabenerfüllung steht die Zeit still, ähnlich den Flowerlebnissen nach Nakamura & Csikszentmihalyi (2002)
- Soziale Beziehungen: Vertrauen, Unterstützung
- Sinn: zu etwas gehören und etwas dienen, das größer als unser Ich eingeschätzt wird
- Zielerreichung: das Erreichen von Zielen, Erleben von Kompetenz und Selbst-Effizienz (Butler & Kern, 2013)
Das sogenannte PERMA-Modell seiner Theorie steht für das Akronym für pleasure/positive emotions, engagement, relationships, meaning und accomplishment. Studien zeigen, dass die PERMA-Elemente mit Arbeitszufriedenheit, Commitment und physischer Gesundheit zusammenhängen (Kern et al., 2014b). Darüber hinaus bestehen unzählige Studien einzelner PERMA-Elemente mit diversen positiven Konsequenzen für die Organisation.
Die zentralen Kernwerte der ursprünglichen Theorie Frithjof Bergmann´s (Sinn, Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft) decken sich mit den Elementen von PERMA, welche zu dem Konstrukt Wohlbefinden beitragen. Damit können die Elemente von PERMA als Zielstellung von New Work eingeführt werden.
Anmerkung
Selbstverständlich bestehen weitere gut erforschte Theorien und Modelle (insb. aus der Arbeits- und Organisationspsychologie), welche zur Bestimmung der Zielstellung von New Work sehr dienlich sind, da bei selbigen auf wissenschaftliche Befunde zurückgegriffen werden kann.
Fazit von New work verstehen und Einführen
Begreifen wir New Work auf der Ebene der Beschäftigten vordergründig als veränderte Erwartungen bzw. einem neuen Anspruch an Arbeit muss vor und bei jeder Einführung von New Work-Interventionen auch sichergestellt werden, dass die Ausrichtung sich an den individuellen Bedürfnissen der MitarbeiterInnen orientiert. Hierfür bietet sich u. a. das Konstrukt Selgimans „Wohlbefinden“ an, denn je besser das Wohlbefinden bei den MitarbeiterInnen desto stärker ihre Leistung.
Eine multidimensionale Beurteilung des psychischen Wohlbefindens als New Work Erfolgsaspekt und ihrer antezedenten Bedingungen sowie deren Zusammenhänge kann nützlich sein, um die MitarbeiterInnen konkret zu verstehen. Die Ergebnisse sollten dann bei der Entwicklung von New Work-Interventionen (z. B. Arbeits- und Organisationsmaßnahmen) zur Förderung des Aufbaus von Flow, einer starken Gemeinschaft, ein Gefühl von Sinn, bewerteter Zielerreichung und insgesamt positiver Gefühle aller MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz angewandt werden.
Literatur
Bergmann, Frithjof. New work, new culture : work we want and a culture that strengthens us. Winchester, UK Washington, USA: Zero Books, 2019. Print.
BMAS–Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (2017). Weißbuch: Arbeiten 4.0. https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a883-weissbuch.pdf;jsessionid=8EFA4CB88676D15AD9522ADE1149A429?__blob=publicationFile&v=9. Zugegriffen am, 3, 2019.
BMAS/Nextpractice. (2016). Wertewelten. Arbeiten 4.0. www.arbeitenviernull.de/fileadmin/Downloads/Wertestudie_Arbeiten_4.0.pdf. Zugegriffen: 4. 2019.
Butler, J., & Kern, M. L. (2013). The PERMA-Profiler: A brief multidimensional measure of flourishing. International Positive Psychology Association. Los Angeles
Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broadenand-build theory of positive emotions. American Psychologist, 56, 218–226.
Hackl, B., Wagner, M., Attmer, L., & Baumann, D. (2017). New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt: Management-Impulse, Praxisbeispiele, Studien. Springer-Verlag.
Hofmann, J., Piele, A., Piele, C., & Springel, S. (2019). New Work. Best Practices und Zukunftsmodelle. Stuttgart: Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. http://publica. fraunhofer. de/docu ments/N-543664. html. Zugegriffen am, 3, 2020.
Kern, M., Waters, L., Adler, A., & White, M. (2014b). Assessing employee wellbeing in schools using a multifaceted approach: Associations with physical health, life satisfaction, and professional thriving. Psychology, 5(06), 500-513.
Nakamura, J., & Csikszentmihalyi, M. (2002). The concept of flow. Handbook of Positive Psychology, 89-105.
Rogers, C. R. (1963). The concept of the fully functioning person. Psychotherapy: Theory, Research & Practice, 1(1), 17.
Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2001). On happiness and human potentials: A review of research on hedonic and eudaimonic well-being. Annual Review of Psychology, 52(1), 141-166.
Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2000). Self-determination theory and the facilitation of intrinsic motivation, social development, and well-being. American psychologist, 55(1), 68.
Ryff, C. D., & Keyes, C. L. M. (1995). The structure of psychological well-being revisited. Journal of Personality and Social Psychology, 69, 719–727.
Schermuly, C. C. (2019). New Work-Gute Arbeit gestalten: Psychologisches Empowerment von Mitarbeitern. Haufe-Lexware.
Seligman, M. (2011). Flourish: A visionary new understanding of happiness and well-being. New York: Simon & Schuster.